MUSIK UND TECHNIK IN DER GESCHICHTE DER MUSIK

VON

EBERHARD PREUSSNER

I

Setzen wir Technik und Musik in Beziehung zueinander, so sind wir gewohnt, zunächst an die Gegenwart zu denken. Wir leben ja heute im ”Zeitalter der Technik”, die alle Lebenszweige, auch die Kunst, durchdrungen hat. ”Die Technik wirkt auf die Gestaltung der Kunst erst seit der Neuzeit ein”, das ist eine Anschauung, die uns zur Selbstverständlichkeit geworden ist, deren Anwendung wir täglich hören können. Noch nie, so pflegt man zu sagen, hatte die Technik einen so bestimmenden Einfluß auf das menschliche Leben wie heute, noch nie in der Geschichte der Kultur war man auf den Gedanken gekommen, Kunst und Technik überhaupt als sich wechselseitig bedingende Kräfte aufzufassen. Mit dem Einbruch der Technik in den Kunstbereich datiert man geradezu den Beginn eines neuen, des gegenwärtigen Kunstzeitalters. In folgender Konstruktion beliebt man oft die alte gegen die neue Kunstepoche zu stellen: Musik, die freieste der Künste, war früher ein Wunder, dem Verstand und der Technik unfaßbar, und dort am reinsten, wo sie alle technischen Fesseln gesprengt hatte. Heute aber ist Musik entgöttert und die Technisierung der Musik an die Stelle des frei strömenden, erlebten musikalischen Wunderwerkes von früher getreten.

Diese Anschauung ist etwas leichtfertig gefaßt und stimmt mit den geschichtlichen Tatsachen nicht überein. Man überschätzt die Gegenwart und verkennt die Vergangenheit. Die Technik ist für die Musik nicht erst seit 1900 ein Problem, sondern der technische Prozeß in der Musik ist wahrscheinlich so alt wie die Musik überhaupt.

Wir wissen, daß vom frühesten Mittelalter an die Geistesgeschichte eine Geschichte der Entdeckung und Erfindung gewesen ist. So viel man auch gegen die Theorie der Entwicklung einwenden mag, in der Aufklärung des menschlichen Geistes, in der Entdeckung der Weltzusammenhänge, in der Nutzbarmachung technischer Hilfsmittel und Grundkräfte ist ein Prozeß der Entwicklung in der Geschichte festzustellen,