- 127 -Lehmann, Silke: Bewegung und Sprache als Wege zum musikalischen Rhythmus 
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zwischen 11 und 12 Jahren postuliert. Hubert Minkenberg (1991) stellt fest, dass sich im Alter zwischen fünfeinhalb und sechs Jahren ein sehr deutlicher Zuwachs in den rhythmischen (Reproduktions-)Leistungen zeigt – insbesondere auch für synkopische Rhythmen. In spontanen Darbietungen von Liedern fand er bei Sechseinhalb- bis Siebenjährigen »ein erstaunliches Maß an melodischer und rhythmischer Sicherheit.« (ebd., S. 174). Diese Sicherheit könnte einerseits aus der selbstbestimmten Darbietung resultieren – die Kinder waren aufgefordert selbst zu entscheiden, was sie vortragen wollten und präsentierten das, worin sie sich sicher fühlten – und andererseits durch die Minimierung motorischer Anforderungen durch den gewählten Modus des Singens.

Minkenberg nimmt auch an, dass die rhythmischen Reproduktionsleistungen von Kindern durch ihre noch geringe Gedächtnisleistung begrenzt werden. Dies wäre eine Erklärung dafür, dass die Fünf- bis Siebenjährigen noch überwiegend »besonders prägnante rhythmische Figuren aus dem Gesamtzusammenhang isoliert und reproduziert« (ebd., S. 230) hatten, während mit steigendem Alter auch längere Sequenzen vollständig gelangen.

Alter und Reifung sind entscheidende Faktoren für rhythmisch-metrische Fertigkeiten.

6.4.  Musikpädagogischer Ausblick

Zusammenfassend muss für die Entwicklung rhythmischer Fertigkeiten noch einmal auf die enge Verwobenheit von Wahrnehmung, Gedächtnis, Abstraktionsfähigkeit und motorischen Fähigkeiten hingewiesen werden. Viele der angeführten Versuchsanordnungen beinhalteten sowohl die Ausführung von Rhythmen als auch deren Notation. Nicht nur die motorische sondern auch die kognitive Entwicklung unterliegt lang andauernden Reifungsprozessen, die Entwicklung erfolgt in Abhängigkeit von Alter und individuellen Gegebenheiten und ist nur begrenzt durch Training zu beschleunigen. Es gibt Hinweise dafür, dass mit ungefähr 10 Jahren alle Kinder recht gut in der Lage sind (einfache) Rhythmen und Metren aufzufassen. Sicher ist also, dass Fertigkeiten auf diesem Gebiet entscheidend durch den Faktor Alter bzw. Entwicklungsstadium beeinflusst werden. Diese Tatsache ist sicher kein Freibrief für die Beliebigkeit musikpädagogischen Handelns im Sinne von ›wird schon von allein kommen‹. Andererseits kann das Wissen um Wachstum und Reifung aber Lehrerinnen und Lehrern gerade in schwierigen Unterrichtssituationen zu einer geduldigen, zuversichtlichen und dadurch entspannteren Grundhaltung verhelfen.

Zu einem kompetenten, allen Altersstufen gerecht werdenden Musikunterricht gehört auch das fundierte Wissen um die Möglichkeiten – und auch Un-Möglichkeiten – des Denkvermögens. Die Entwicklung der kognitiven Ebene im Kindesalter, die Fähigkeit zu bestimmten Rechenoperationen, das Verständnis von Proportionen und der Umgang mit einem in sich geschlossenen Symbolsystem war in Abschnitt 6.3 dargestellt worden. Erst jenseits des Grundschulalters werden solche gedanklichen Operationen möglich bzw. verlässlich und frei von Störanfälligkeit. Für den Bereich des Musizierens betrifft diese Gegebenheit besonders die rechnerische (das Metrum im Sinne eines geschlossenen Systems von Proportionen betreffende) Ebene der Rhythmusverarbeitung:


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