- 166 -Lehmann, Silke: Bewegung und Sprache als Wege zum musikalischen Rhythmus 
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Rhythmische, eher grobmotorische Aktivität am Platz findet sich wieder im Bereich der so genannten Klanggesten, auch als Körperperkussion bezeichnet. Hiermit sind Bewegungen gemeint wie Klatschen, Patschen, Fingerschnipsen oder Stampfen (vgl. Zimmermann 2000, Jasper 2004, Steffen-Wittek 2005). Besonders das Patschen, der Knieschlag, findet sich wieder in der für Säuglinge so typischen Auf-und-Ab-Bewegung der Arme parallel zur Körperlängsachse.
Der Knieschlag ist eine Möglichkeit, einen stabilen Grundschlag auf der Ebene allerfrühester Bewegungsmuster zu realisieren.

Genau wie der Knieschlag, das Patschen, ist auch das Klatschen eine symmetrische Bewegung der oberen Extremitäten, die am Platz stattfindet und ist als solche in der Entwicklung früh einzuordnen. Allerdings ist für das Klatschen eine Außenrotation (Supination) notwendig; nach dem Grundsatz, dass Pronation in der Entwicklung der Supination voraus geht, ist folglich das Klatschen in der Entwicklung nach dem Patschen einzuordnen. Fingerschnipsen wiederum betrifft periphere Körperbereiche und verlangt ausgereifte Feinmotorik, noch dazu führt diese Bewegung vom Körper weg. In Abschnitt 5.2.2 war dargestellt worden, dass die frühesten Aktivitäten zum Körper hin führen; diese Eigenberührungen beinhalten zusätzlich eine stimulierende, aktivierende Komponente. Auch das Stampfen, Wischen oder Tippen der Füße betrifft später entwickelte Körperregionen und bietet sich – genau wie das Gehen – nur bedingt als allerersten Anknüpfungspunkt zur rhythmisch-metrischen Stabilisierung an.

Auch über die schlichte Erzeugung eines Grundschlags hinaus ist die Körperperkussion grundsätzlich eine gute Möglichkeit, rhythmisch aktiv zu werden (vgl. auch die Abschnitte 8.2.2 und 8.3.3). Motorische Probleme, die sich im Instrumentalspiel zwangsläufig durch die (oft feinmotorisch geprägte) Handhabung des jeweiligen Instrumentes ergeben, werden in der Arbeit mit Klanggesten minimiert. Trotzdem sind auch hier die oben genannten Kriterien der Bewegungsentwicklung zu beachten. Prinzipiell gilt für motorische Belange – egal ob im Instrumentalspiel oder im Umgang mit Klanggesten – dass Kinder keine ›kleinen Erwachsenen‹ sind. Für die interne zeitliche Steuerung und Koordination gezielter Bewegung gelten lang anhaltende Reifungsprozesse. Mit anderen Worten: Kinder und Jugendliche sind sowohl in ihren Körperrhythmen als auch ihren motorischen Möglichkeiten noch nicht voll entfaltet. Umso wichtiger ist es, Lernschritte so zu gestalten, dass Frustrationen vermieden und Erfolgserlebnissen der Weg bereitet wird. Abgesehen von methodischen Überlegungen hilft das Wissen um die Reifungsprozesse den Unterrichtenden, hoffnungsvoll in die Zukunft von Lernenden zu schauen, darauf setzend, dass auch ohne Intervention Verbesserungen zu erwarten sind.

Für viele Erwachsene wiederum muss davon ausgegangen werden, dass der Zugang zu den frühen rhythmischen Verhaltensmustern oder Körperrhythmen verschüttet ist. Das Alltagsleben in hoch technisierten Zivilisationsgesellschaften ist arm an Bewegung und natürlicher Rhythmuserfahrung. Bei Erwachsenen liegt zwar ein ausgereiftes motorisches Verhalten vor, dieses beinhaltet aber in den wenigsten Fällen so ausdifferenzierte Bewegungssteuerung und -koordination, wie es für das Musizieren notwendig wäre. Somit ist es auch in der musikpädagogischen Arbeit mit Erwachsenen wichtig, von geringen Voraussetzungen auszugehen und Lernwege


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