KonsequenzenWie auch im Umgang mit entwicklungspsychologischem Wissen liegt der Wert der Kenntnis unterschiedlicher kognitiver Strategien zunächst in der Einstellung, mit der Unterrichtende den Lernenden gegenüber treten. Ein weit gefasster Blickwinkel kann helfen, Probleme und deren Ursache eher zu verstehen. Das Wissen um die verschiedenen Ebenen der Aufmerksamkeit befähigt dazu, individuell variierende Lösungswege anzubieten. Aber schon bevor Schwierigkeiten überhaupt auftreten, können diese vorausgesehen und möglicherweise vermieden werden: die formale, rechnerische Ebene bedarf einer Reife der kognitiven Strukturen, die nicht grundsätzlich vorausgesetzt werden sollte. Je jünger die Lernenden, umso eher werden sie intuitiv-spontan reagieren; je älter sie sind, umso leichter gelingt eine intellektuell fundierte Handlungs- und Denkweise. Ein Trugschluss ist es jedoch zu glauben, Erwachsene wären nur auf der intellektuellen Ebene anzusprechen. Ganz abgesehen davon, dass die immensen sensomotorischen Beanspruchungen in der Musikausübung häufig ›Rückfälle‹ in schon überwunden geglaubte Strukturen bewirken, verfügen auch Erwachsene über eine intuitive Kompetenz. Sinn-voller Musikunterricht kann nur dann stattfinden, wenn die Lernenden nicht nur auf der intellektuellen Ebene, sondern auch in ihrer Intuition und Emotionalität gefördert werden. Der genaue Blick auf die entwicklungspsychologischen Zusammenhänge legt sogar folgenden Schluss nahe:
8.5.2. Rhythmusfähigkeit als Variable von Anlage und ReifungFür das Verständnis von Rhythmus und dessen praktische Ausführung sind kognitive und motorische Fertigkeiten notwendig. Generell gilt für beide Faktoren, dass sie stark reifungsabhängig sind. Dennoch mögen auch genetische Faktoren eine Rolle spielen: nicht alle Menschen sind mit den gleichen intellektuellen und körperlichen Fähigkeiten ausgestattet. Auch die Qualität der internen biologischen Uhr hat Einfluss auf die Fähigkeit in der Verarbeitung rhythmischer Sachverhalte. Die persönliche Ausstattung von Lernenden ist ein Faktor, der sich pädagogischen Interventionen entzieht, hier bleibt es den Unterrichtenden nur, zu akzeptieren, was auch immer eine Schülerin oder ein Schüler an Anlagen mitbringt. Der Faktor Reifung wiederum impliziert, eine prinzipiell positive Grundeinstellung. Untersuchungen konnten zeigen, dass sich Grundfertigkeiten im Umgang mit Rhythmen mit dem Jugendalter sowieso einstellen (vgl. Abschnitt 6.3.1). Dabei ist es letztlich egal, ob der ›Schwellenwert‹ bei zehn, elf oder zwölf Jahren liegt. Hier werden verschiedenste Faktoren Einfluss haben. Wichtig ist die Tatsache, dass überhaupt zu erwarten ist, dass rhythmische Fertigkeiten sich (auch) von allein einstellen werden.
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