4. Die körperliche Dimension von Rhythmus
4.1. Physiologie der lebenserhaltenden Funktionen
Im Folgenden wird häufig der Begriff Rhythmus verwendet, werden Abläufe als
rhythmisch bezeichnet. Dieser Sprachgebrauch entspringt einerseits der Alltagssprache
und ist andererseits in der (Chrono-)Biologie gebräuchlich. Gemeint sind zeitliche
Verläufe, die in regelmäßigen Abständen wiederkehren. Dass diese Abstände nicht exakt
bemessen sondern ungefähr bestimmt sind ist ein wichtiges Prinzip biologischer
Rhythmen. Gleichzeitig mit der zeitlichen Komponente beinhaltet die Zuschreibung
›rhythmisch‹ auch die Vorstellung von wechselnden Qualitäten. Tag und Nacht oder
Einatmen und Ausatmen folgen nicht nur aufeinander, sondern unterscheiden sich
grundlegend voneinander.
4.1.1. Der circadiane Rhythmus
Einer der markantesten Rhythmen des biologischen Lebens ist der Wechsel von Tag und
Nacht. Dabei reagieren Lebewesen und Pflanzen auf die Abfolge von Licht und Dunkel in
artspezifischer Weise. Für den Menschen wurde lange angenommen, dass der
Schlaf-Wach-Rhythmus andere Rhythmen – wie beispielsweise die Schwankungen der
Körpertemperatur im Tagesverlauf – verursacht (vgl. Sollberger 1972, S. 14). Erst ab
den Zwanzigerjahren des 20. Jahrhunderts änderte sich diese Sichtweise. Versuche,
bei denen Menschen unter Ausschluss von Tageslicht isoliert in Höhlen oder
Kammern lebten, bzw. Tieren ein veränderter Rhythmus simuliert wurde, zeigten,
dass der Lebensrhythmus auch ohne äußere Einflüsse fortgeführt wurde. Alle
tagesperiodischen Prozesse blieben unter künstlichen Bedingungen erhalten,
insbesondere der Wechsel von ungefähr 2/3 Wachzeit und 1/3 Schlafzeit. Allerdings
kamen die Versuchspersonen im Durchschnitt auf eine ungefähre Tageslänge von
25 Stunden:
In der Tatsache, daß die Periode des freilaufenden Rhythmus von 24 Stunden
abweicht, sehen wir den sicheren Beweis dafür, daß der Rhythmus nicht
von periodischen Faktoren der Umwelt gesteuert sein kann – er muß
seine Ursache im Organismus selbst haben. Diese Ursache eben ist die
›Physiologische Uhr‹. Sie läuft, wenn sie sich selbst überlassen ist und
nicht täglich korrigiert wird, etwas zu langsam. Es handelt sich um
einen im Laufe der Evolution entstandenen, dem Organismus angeborenen
Schwingungsmechanismus, dessen Eigenperiode nur ungefähr der des
astronomischen Tages entspricht. (Aschoff 1998, S. 137).
Für diesen Sachverhalt wurde der Begriff des circadianen Rhythmus geprägt.
➢ | Der Tag-/Nacht-Rhythmus wird durch eine im Organismus verankerte innere Uhr
geregelt. | |