- 35 -Lehmann, Silke: Bewegung und Sprache als Wege zum musikalischen Rhythmus 
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4.  Die körperliche Dimension von Rhythmus

4.1.  Physiologie der lebenserhaltenden Funktionen

Im Folgenden wird häufig der Begriff Rhythmus verwendet, werden Abläufe als rhythmisch bezeichnet. Dieser Sprachgebrauch entspringt einerseits der Alltagssprache und ist andererseits in der (Chrono-)Biologie gebräuchlich. Gemeint sind zeitliche Verläufe, die in regelmäßigen Abständen wiederkehren. Dass diese Abstände nicht exakt bemessen sondern ungefähr bestimmt sind ist ein wichtiges Prinzip biologischer Rhythmen. Gleichzeitig mit der zeitlichen Komponente beinhaltet die Zuschreibung ›rhythmisch‹ auch die Vorstellung von wechselnden Qualitäten. Tag und Nacht oder Einatmen und Ausatmen folgen nicht nur aufeinander, sondern unterscheiden sich grundlegend voneinander.

4.1.1.  Der circadiane Rhythmus

Einer der markantesten Rhythmen des biologischen Lebens ist der Wechsel von Tag und Nacht. Dabei reagieren Lebewesen und Pflanzen auf die Abfolge von Licht und Dunkel in artspezifischer Weise. Für den Menschen wurde lange angenommen, dass der Schlaf-Wach-Rhythmus andere Rhythmen – wie beispielsweise die Schwankungen der Körpertemperatur im Tagesverlauf – verursacht (vgl. Sollberger 1972, S. 14). Erst ab den Zwanzigerjahren des 20. Jahrhunderts änderte sich diese Sichtweise. Versuche, bei denen Menschen unter Ausschluss von Tageslicht isoliert in Höhlen oder Kammern lebten, bzw. Tieren ein veränderter Rhythmus simuliert wurde, zeigten, dass der Lebensrhythmus auch ohne äußere Einflüsse fortgeführt wurde. Alle tagesperiodischen Prozesse blieben unter künstlichen Bedingungen erhalten, insbesondere der Wechsel von ungefähr 2/3 Wachzeit und 1/3 Schlafzeit. Allerdings kamen die Versuchspersonen im Durchschnitt auf eine ungefähre Tageslänge von 25 Stunden:

In der Tatsache, daß die Periode des freilaufenden Rhythmus von 24 Stunden abweicht, sehen wir den sicheren Beweis dafür, daß der Rhythmus nicht von periodischen Faktoren der Umwelt gesteuert sein kann – er muß seine Ursache im Organismus selbst haben. Diese Ursache eben ist die ›Physiologische Uhr‹. Sie läuft, wenn sie sich selbst überlassen ist und nicht täglich korrigiert wird, etwas zu langsam. Es handelt sich um einen im Laufe der Evolution entstandenen, dem Organismus angeborenen Schwingungsmechanismus, dessen Eigenperiode nur ungefähr der des astronomischen Tages entspricht. (Aschoff 1998, S. 137).

Für diesen Sachverhalt wurde der Begriff des circadianen Rhythmus geprägt.

Der Tag-/Nacht-Rhythmus wird durch eine im Organismus verankerte innere Uhr geregelt.


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