Chopins Préludes op. 28 werden seit langem als Gesamtzyklus angesehen. Sie sind jedoch im Laufe vieler Jahre entstanden und erst in den Jahren 1838/39 als Sammlung abgeschlossen worden. Chopin nahm bei der Komposition die 48 Präludien aus Bachs Wohltemperiertem Klavier zum Vorbild. Wie im Bach-Zyklus bilden Chopins Werke einen vollständigen Zyklus aller Dur- und Molltonarten, obgleich sie im Gegensatz zu Bach keine Vorspiele zu Fugen sind. Zudem orientierte sich Chopin bei der Zusammenstellung an der Paralleltonart (C-Dur/a-Moll) und nicht an Bachs Monotonalität (C-Dur/c-Moll).9 Damit bekundete er dennoch ganz offenkundig seine Hochachtung für Bach. Viele Chopin-Kenner haben es sich angewöhnt, seine Préludes mit anschaulichen Metaphern zu beschreiben. So stellte beispielsweise James Huneker die rhetorische Frage, ob das zweite Prélude nicht »häßlich, verwaist, verzweifelt, zuweilen grotesk und unharmonisch«10 sei. Es zeichne, so Huneker weiter, in seinen »sumpfigen, schlangenhaften Windungen« die tiefste Depression, ja sogar Lebensüberdruß. Diese Sichtweise des a-Moll-Préludes wurde im 19. Jahrhundert von vielen geteilt. Auch heute kann man sich dieses Klangeindrucks nicht erwehren. Es ist ein kniffliges Stück, seine nebelhafte Harmonie ist so undurchsichtig wie seine Stimmung. Die harmonische Bandbreite beginnt bei e-Moll und führt über zahlreiche selbständige dissonante Klangfolgen, die in ihrer Härte jeder funktionalen harmonischen Tradition vollkommen widersprachen, letztlich über eine schlichte Kadenz zu a-Moll. Das langsame Tempo und die bewußte Monotonie der Begleitfigur machen dieses Prélude zu einem schwer zu enträtselnden Klagegesang im slawischen Tonfall. Das a-Moll-Prélude, so resümiert Huneker, ist »hoffnungslose Finsternis und perverse Melancholie«, in der ein morbider Chopin zum »wahren Lykanthropen« wird und seine Abneigung gegen das Leben kundtut: »Selbsthypnose, geistige Leere und Gefühlsatrophie«11 kommen in dieser Komposition zum Ausdruck. Eine im Grunde vernichtende Kritik, doch kann man Hunekers frühe feuilletonistische Deutungen dieses Werkes auch heute noch gut nachvollziehen. Empfindungsmäßig bietet Chopins a-Moll-Prélude ein bedrückendes menschliches Seelenbekenntnis, dessen Harmonie und melodischer Gestus ein Gefühl von Instabilität vermittelt.Insofern ist es nicht verwunderlich, warum sich Bergman in dieser Szene für Chopins a-Moll-Prélude entschieden hat. Gefühlsleere, Instabilität und Melancholie sind auch Evas Charaktereigenschaften, die Liv Ullmann in dieser Rolle mit geradezu |