INTERVIEW
Kurt Sydow im Gespräch mit Rudolf Weber
SINGEN
Sydow:* Ich komme nicht aus der Jugendbewegung, bin aber mit der Singbewegung frühzeitig in Berührung gekommen.
Natürlich gab es ein Singen als Selbstverständlichkeit in meiner Generation. Auch in meinem Elternhause wurde - etwa am Silvesterabend - gesungen. Aber ein Liedgut, wie es die Jugendbewegung gepflegt hat und wie es beispielsweise im "Zupfgeigenhansl" zu finden ist, gab es bei uns zu Hause nicht.
Meine Begegnung mit der Singbewegung beginnt mit meinem Hochschulstudium in Berlin. Die erste Singwoche, die ich mitgemacht habe, fand dabei unter Helmut Mönkemeyer in Hildesheim statt. Dort wurden Madrigale, weltliche Chorlieder und Motetten gesungen.
Eine nächste Station solcher Begegnungen - und nach einem Wort meines alten Lehrmeisters Martin Luserke liegt in jeder Begegnung etwas Mystisches - geschah im Kontakt mit Georg Götsch. Er führte in seiner Übung "Gegenwartsfragen der Musikerziehung" in das pentatonische Liedgut ein in Verbindung mit englischen Tanzmelodien. Und damit begann mein Zurkenntnisnehmen einer Melodienlehre.
Diese Melodienlehre, das Verdeutlichen einer Melodie in ihrem Ablauf, in ihrer Struktur, in ihrer Innendynamik .... Die hierbei erfahrenen Anregungen sind für mich am stärksten wirksam geworden.
Als ich während meiner späteren Tätigkeit in der Schule am Meer auf der Insel Juist in die Situation versetzt wurde, mit den Grundschülern - wie man heute sagt: Primarstufe - Musik zu machen, habe ich
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* Bei dem folgenden Interview handelt es sich um Ausschnitte eines umfangreichen Gesprächs, das 1977
stattfand. - Kurt Sydow starb am 7. Juni 1981. - Das Interview erschien 1982 in der ZfMP (Nr. 20, 3-21) - Für
diesen Nachdruck wurden weitere Kürzungen notwendig. Auf die zahlreichen Illustrationen wurde ganz
verzichtet.
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