Joh. Seb. Bachs Motette "Jesu meine Freude"
- Standort der vorliegenden Werkbetrachtung -
Die musikalische Werkbetrachtung sucht durch die Benennung oder besser durch den Mitvollzug musikalischer Ereignisse durch das Wort, diese in ihren Spannungsvorgängen erlebbar zu machen. Es geht darum, den Menschen in eine klingende Wirklichkeit - je verschiedenen Grades - hineinzunehmen, in der er mitspielt oder tiefer genommen, in der er die sich in Musik darstellende Welt begreifen lernt. Es handelt sich also nicht um eine feststellende fachliche Analyse, noch um eine musikalische Hermeneutik, wie sie neben anderen Auffassungen im 19. Jahrhdt. entwickelt wurde und vornehmlich Verbreitung fand, die musikalische Vorgänge in die subjektive Empfindungswelt projizierte. Die gegenwärtige Werkbetrachtung hat ihre Anfänge bei der formbezogenen Musikauffassung Eduard Hanslicks um 1850 und erfährt durch die phänomenologische Betrachtungsweise von Hans Mersmann, die in seinem Werk "Musikhören" 1930 1 zusammengefaßt ist, stärkste Impulse. Nils-Eric Ringbom drängt in seiner Arbeit "Über die Deutbarkeit der Tonkunst",2 die Wertkriterien aus dem Wechselspiel von funktionaler Herrschaft und expressiver Kraft zu gewinnen.
Die hier dargebotene Studie sucht den Zusammenhang der Entstehung der Motette "Jesu meine Freude" von Joh. Seb. Bach aufzuzeigen, vor allem aber einen Überblick über das Werk zu geben und die dominierenden Erscheinungsformen, insbesondere das Wort-Tonverhältnis auszuloten. Es handelt sich also um eine Hinführung zum Verständnis dieses Stückes geistlicher Musik aus dem "Zeitalter der kategorialen Synthese", um den theoretischen Ausdruck Gerhard Nestlers3zu gebrauchen. Gemeint ist damit das Zeitalter der Musik, in dem Rhythmus, Melodik, Harmonik und Kontrapunkt zu einer Synthese
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