1. Einleitung
Rhythmus ist ein selbstverständlicher Bestandteil des Musiklernens. Ob im
Instrumental- bzw. Vokalunterricht, in der Elementaren Musikpädagogik oder im
Bereich schulischen Lernens – rhythmische Belange fließen immer in Lehr- und
Lernsituationen ein. Der einfache Grund dafür ist, dass die zeitlich-rhythmische
Dimension neben der Tonhöhe eine der bestimmendsten Variablen von Musik
ist.
Im alltäglichen Umgang mit Musik geschieht das Erfassen von Rhythmen in der Regel
unmittelbar und betrifft äußere und innere Bewegung: Füße wippen, Finger zucken,
Körper wiegen sich entsprechend der Musik; der Charakter einer Darbietung
wird problemlos in seinem Ausdrucksgehalt verstanden. Erfahrungen aus der
musikpädagogischen Praxis zeigen dagegen, dass die Ausführung von Rhythmen längst
nicht so selbstverständlich gelingt, wie die unwillkürliche psycho-physische Reaktion
darauf. Immer wieder kommt es im Musikunterricht zu Situationen, in denen es nicht
gelingt, Lernende so anzuleiten, dass Rhythmen wie gewünscht erklingen. Alle gut
gemeinten Erklärungen über die Zusammenhänge zwischen Vierteln, Halben, Achteln
oder gar Punktierten laufen häufig ins Leere – die Ausführenden halten hartnäckig an
ihrer Version fest oder bieten wechselnde Abweichungen an. Im Gegensatz zu falschen
Tönen sind divergierende Rhythmen jedoch schwerer rückzumelden. Formulierungen wie
›hier war es etwas zu schnell‹ oder ›dieser Ton war ein wenig zu lang‹ schildern das
Dilemma der Lehrkräfte, adäquate Verbesserungsvorschläge zu machen. Und immer
wieder zeigt es sich, dass die Fähigkeit Rhythmen stimmig auszuführen sehr
unterschiedlich ausgeprägt ist: während manche Kinder, Jugendliche oder Erwachsene
eine natürliche Geschicklichkeit im Umgang mit dem Rhythmus zeigen, offenbaren
andere wiederum besondere Schwierigkeiten damit. Im Extremfall ist eine Schülerin
oder ein Schüler kaum oder gar nicht in der Lage wenigstens gleichmäßig zu
klatschen.
In der Praxis haben sich nun einige Vorgehensweisen als hilfreich erwiesen: die
Verwendung von Rhythmussprache, das Einbeziehen von Klanggesten oder der
Brückenschlag von Sprechversen zu musizierten Rhythmen bieten nicht nur kurzfristige
Ansätze für die Lösung aktueller Problemsituationen, sondern helfen auch langfristig,
rhythmisch-metrische Stabilität anzubahnen. Aus den geschilderten Gegebenheiten des
musikpädagogischen Berufsalltags entstand der Wunsch nach einer grundsätzlichen
Auseinandersetzung mit dem musikalischen Rhythmus. Leitlinie war das Bedürfnis,
praktisches Vorgehen theoretisch zu hinterfragen und auf ein solides Fundament
gesicherter Fakten zu stellen.
Ein so komplexes, fassettenreiches und universelles Phänomen wie der Rhythmus
verlangt dabei nach sehr umfassenden Fragestellungen. Es reicht nicht aus, nur den
Rhythmus in der Musik in das Zentrum der Betrachtungen zu stellen. Rhythmen
verschiedenster Art betreffen die menschliche Existenz auf vielfältige Art. Um die
unterschiedlichen Erscheinungsweisen des Phänomens Rhythmus in der Musik verstehen
zu können, muss zunächst eine Einordnung in das übergeordnete Phänomen der Zeit
stattfinden – denn Rhythmus ist nichts anderes als