- 152 -Lehmann, Silke: Bewegung und Sprache als Wege zum musikalischen Rhythmus 
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7.4.  Die Prinzipien lokaler und globaler Verarbeitung

Charakteristisch für das menschliche Gehirn ist die Tatsache, dass große Anteile von Sprache in der linken Hemisphäre verarbeitet werden (zur Bedeutung der rechten Hirnhälfte vgl. aber auch Abschnitt 7.3.1). Dieser Sachverhalt ist dafür verantwortlich, dass die linke Hirnhälfte häufig als ›dominant‹, die rechte dagegen als ›nicht-dominant‹ bezeichnet wird. Außerdem werden der linken Hemisphäre sequentielle, analytische und abstrakte Vorgänge zugeschrieben. Von der rechten Hemisphäre ist bekannt, dass sie visuell-räumliche Vorgänge verarbeitet und ganzheitlich, gestaltbezogen vorgeht. Ein Forschungsansatz, der den divergierenden Funktionsweisen beider Hirnhälften nachgeht, ist die Unterscheidung von globalen und lokalen Prozessen (vgl. Peretz 1990). Die Steuerung lokaler Prozesse wird in diesem Modell der linken Hirnhälfte zugeschrieben, während von globalen Prozessen angenommen wird, dass diese in der rechten Hirnhälfte ablaufen.

In Bezug auf den Umgang mit Musik betrifft lokale Wahrnehmung die Verarbeitung genauer Intervalle, die globale Wahrnehmung das Verständnis der Kontur. Linksseitige Hirnverletzungen können Störungen der Intervall-Wahrnehmung bei unbeeinträchtigter Kontur-Wahrnehmung verursachen. Rechtsseitige Verletzungen dagegen stören sowohl Intervall- als auch Konturwahrnehmung. Dieser Befund führte zu der Annahme, dass es sich beim globalen System (rechte Hemisphäre) um eine Art Schlüsselfunktion handelt, die den Zugang zur Verarbeitung lokaler Informationen erst öffnet. Anders ausgedrückt: ohne die rechte Hirnhälfte kann die linke Hälfte ihre Funktionen nicht adäquat ausüben. (vgl. Schuppert u. a. 2000).

Die rechte Hirnhälfte verarbeitet globale Prozesse, die linke lokale.
Für die Tonhöhe ist nachgewiesen, dass rechts die Kontur global entschlüsselt wird und links die genaue Intervall-Wahrnehmung stattfindet.
Globale Prozesse werden als Grundlage lokaler Analyse vermutet.

Rhythmus- und Metrumverarbeitung im Kontext lokaler und globaler Verarbeitungsstrategien

In Anlehnung an das Modell lokaler Verarbeitung genauer Tonhöhen und der globalen Wahrnehmung ungefährer Konturen wurde die These aufgestellt, Metrum unterläge globalen und Rhythmus analytischen Strategien (vgl. Altenmüller und Gruhn 2002, S. 69). Diese Vermutung konnte in Untersuchungen bislang nicht bestätigt werden. In einer Studie mit 20 Personen, die einen Schlaganfall erlitten hatten, waren die Ergebnisse ausgesprochen heterogen, es konnte keine klar verbindliche Hemisphärenzuordnung für musikalische Zeitwahrnehmung nachgewiesen werden, auch scheint die globale bzw. lokale Wahrnehmung von Zeitstrukturen nicht spezifisch an die rechte oder linke Hirnhälfte gebunden zu sein (vgl. Altenmüller u. a. 2000, S. 68f.). Somit ergibt sich einmal mehr ein unklares Bild. Genau so wenig, wie Rhythmus- und Metrumverarbeitung eindeutig lateralisiert ist (vgl. Abschnitt 7.3.2) lässt sich keine Zuordnung in das Schema lokaler/globaler Strategien treffen. Ein Erklärungsansatz dafür läge einmal mehr in der individuell unterschiedlichen Herangehensweise in rhythmisch-metrischen Aufgabenstellungen: In Bezug auf die uneinheitlichen Ergebnisse der oben genannten Studie ist es denkbar,


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