- 196 -Lehmann, Silke: Bewegung und Sprache als Wege zum musikalischen Rhythmus 
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Daneben gibt es aber eine Reihe aktueller Veröffentlichungen, die ganz speziell den Umgang mit Rhythmen thematisieren. Einige davon sollen hier darauf hin näher betrachtet werden, inwieweit sie in Einklang stehen mit den Grundsätzen einer anthropologisch orientierten Musikpädagogik, wie sie in den bisherigen Abschnitten dieses Kapitels herausgearbeitet wurde. Ziel der Ausführungen ist keine flächendeckende Darstellung aller existierenden Veröffentlichungen. Es geht vielmehr darum, verschiedene Richtungen und Ansätze in der Musikpädagogik exemplarisch aufzuzeigen. Kriterium ist dabei die Ausgewogenheit von explizitem und implizitem Vorgehen, von bewusstem und unbewusstem Tun, von Denken und Handeln. Denn von Lebensbeginn an nimmt der Mensch Rhythmen in seiner Umgebung wahr und handelt gleichzeitig in Bewegung und Lautäußerung selbst rhythmisch. Hier liegen intuitive Kompetenzen vor, an die eine angemessene rhythmische Förderung anknüpfen kann und muss. Das Gefühl für Spannung und Entspannung, für Akzente und motivische, gestalthafte Gliederung ist nicht nur als Wegbereitung zu kognitiven Prozessen zu verstehen. Rechnen und Notieren bietet den impliziten, biologisch angelegten Kompetenzen keine Nahrung. Eine anthropologisch angemessene rhythmische Erziehung braucht vielfältige Handlungsmöglichkeiten mit Körper und Stimme genau so – und auf jeden Fall früher – als Angebote an den Intellekt.

8.7.1.  ›Spielerisches‹ Rhythmuslernen auf dem Prüfstand

Das ›Rhythmus-Einmaleins‹ von Anselm Ernst

Anselm Ernst sieht sein »Rhythmus-Einmaleins« (Ernst 1999) als Bestandteil des regelmäßigen Unterrichts – sei es in der musikalischen Früherziehung, im instrumentalen Gruppenunterricht oder in der Schulklasse (ebd., S. 2). Das Rhythmus-Einmaleins besteht aus einer Reihe von Spielkarten mit aufgedruckten Noten- und Pausenwerten, auf anderen Karten finden sich Taktstriche und Taktartenvorgaben. Die Größe der Noten-Kärtchen entspricht dabei ihrem Wert, das Kärtchen für die ganze Note ist also viermal so breit wie das Kärtchen der Viertelnote usw. In einem kleinen Begleitheft werden einige Spielideen kurz skizziert. Im Vordergrund dieser Beschreibungen stehen Handlungen mit dem Notenmaterial: Takte legen, ändern oder ergänzen und kontrollieren. Ernst formuliert dazu:

Indem man die Karten des Rhythmus-Einmaleins in die Hand nimmt, begreift man zugleich Tondauern und ihre Proportionen. Durch das Legen rhythmischer Muster bildet sich eine innere Vorstellung aus. (ebd., Kursivdruck im Original).

Diese Behauptung muss in Frage gestellt werden. Durch die Handhabung von notierten Zeichen wird keineswegs das Wesen eines Rhythmus erfasst. Auch wenn Kinder mit Hilfe der Karten Einblicke in den rechnerischen Aspekt von Notenwerten bekommen, ist es Wunschdenken, davon auszugehen, dass notierte Zeichen gleichzeitig Klangvorstellungen transportieren. Selbst wenn positiv vermerkt werden muss, dass der Autor auch Sprechen, Singen, Klatschen oder Gehen anrät, bleibt der allergrößte Teil der Vorschläge im Zählen und Rechnen gefangen. Ernst entlarvt seinen Ansatz selbst als problematisch, wenn er formuliert:


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