hirnphysiologische Grundlage für die methodische Begründung eines weiten Ansatzes:
Die unterschiedlichen Bestandteile der internen Zeitmessung stehen für die
unterschiedlichen Verarbeitungsebenen von Zeit und Rhythmus. Denn neben dem
eigentlichen Bewusstsein, der Denk- und Abstraktionsfähigkeit der Hirnrinde nehmen
auch unbewusste Prozesse wichtigen Raum in der Zeitverarbeitung ein. Und für die
langfristige Speicherung im Langzeitgedächtnis gilt eine emotionale Belegung als
besonders förderlich. Die Vielfältigkeit und große Bedeutung biologisch abgesicherter
Zeitverarbeitung spiegelt sich in der großen Zahl der beteiligten Hirnregionen. Zugänge
zu musikalischer Zeit – in Form von Rhythmus und Metrum – sollten diese Tatsache
berücksichtigen und mehrschichtig angelegt sein. Letztlich ist das gesamte periphere und
zentrale Nervensystem an der Zeitverarbeitung beteiligt. Ein Musikunterricht, der dies
akzeptiert und berücksichtigt, muss den ganzen Menschen ansprechen mit Geist, Seele
und Körper.
Die Frage nach TransfereffektenBereits in der Antike wurde dem Rhythmus regulierende, wenn nicht gar therapeutische Funktion zugeschrieben (vgl. Abschnitt 3.2.1). Aktuelle Strömungen versprechen nicht weniger als »Intelligenz, Sozialverhalten und gute Schulleistungen durch Musikerziehung« (mit diesen Worten vermarktet der Schott-Verlag die Kurzfassung der von Hans Günther Bastian durchgeführten Langzeitstudie zum erweiterten Musikunterricht, vgl. Bastian 2001, auf dem Einband). Im vorliegenden Zusammenhang kann keine Auseinandersetzung mit der hohen Erwartungshaltung hinsichtlich ersehnter Transfer-Effekte geleistet werden. Musikpädagogische Arbeitsfelder können – und sollen – keine therapeutischen Ansprüche erfüllen. Und trotzdem wird ein ernsthafter und engagierter Musikunterricht, der den Menschen als Ganzheit im Auge hat, nicht umhin kommen, an eine allgemein positive Auswirkung musikalischer Auseinandersetzung zu glauben. Bei aller Vorsicht vor spekulativen, von Wunschdenken geprägten Behauptungen kann jedoch festgehalten werden, dass die Wahrnehmung musikalischer Rhythmen die Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen, teilweise auch relativ weit voneinander entfernt liegenden Hirnarealen intensiviert – auch über den Balken hinweg (vgl. Abschnitt 7.3.3).
8.7. Rhythmusvermittlung in der Praxis: eine Auseinandersetzung mit ausgewählten BeispielenRhythmuslernen ist Bestandteil jeglichen Musiklernens, beispielsweise widmet jede Instrumentalschule diesem Lerngegenstand einen Teil ihrer Aufmerksamkeit. |