- 195 -Lehmann, Silke: Bewegung und Sprache als Wege zum musikalischen Rhythmus 
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hirnphysiologische Grundlage für die methodische Begründung eines weiten Ansatzes: Die unterschiedlichen Bestandteile der internen Zeitmessung stehen für die unterschiedlichen Verarbeitungsebenen von Zeit und Rhythmus. Denn neben dem eigentlichen Bewusstsein, der Denk- und Abstraktionsfähigkeit der Hirnrinde nehmen auch unbewusste Prozesse wichtigen Raum in der Zeitverarbeitung ein. Und für die langfristige Speicherung im Langzeitgedächtnis gilt eine emotionale Belegung als besonders förderlich. Die Vielfältigkeit und große Bedeutung biologisch abgesicherter Zeitverarbeitung spiegelt sich in der großen Zahl der beteiligten Hirnregionen. Zugänge zu musikalischer Zeit – in Form von Rhythmus und Metrum – sollten diese Tatsache berücksichtigen und mehrschichtig angelegt sein. Letztlich ist das gesamte periphere und zentrale Nervensystem an der Zeitverarbeitung beteiligt. Ein Musikunterricht, der dies akzeptiert und berücksichtigt, muss den ganzen Menschen ansprechen mit Geist, Seele und Körper.
Die Vielfalt und unterschiedliche Funktionsweise zeitverarbeitender Hirnareale erfordert einen Musikunterricht, der diesen Funktionen gerecht wird. Dabei müssen rationale Zugänge ebenso angebahnt werden wie intuitive Erfahrungen und emotionales Erleben.

Die Frage nach Transfereffekten

Bereits in der Antike wurde dem Rhythmus regulierende, wenn nicht gar therapeutische Funktion zugeschrieben (vgl. Abschnitt 3.2.1). Aktuelle Strömungen versprechen nicht weniger als »Intelligenz, Sozialverhalten und gute Schulleistungen durch Musikerziehung« (mit diesen Worten vermarktet der Schott-Verlag die Kurzfassung der von Hans Günther Bastian durchgeführten Langzeitstudie zum erweiterten Musikunterricht, vgl. Bastian 2001, auf dem Einband). Im vorliegenden Zusammenhang kann keine Auseinandersetzung mit der hohen Erwartungshaltung hinsichtlich ersehnter Transfer-Effekte geleistet werden. Musikpädagogische Arbeitsfelder können – und sollen – keine therapeutischen Ansprüche erfüllen. Und trotzdem wird ein ernsthafter und engagierter Musikunterricht, der den Menschen als Ganzheit im Auge hat, nicht umhin kommen, an eine allgemein positive Auswirkung musikalischer Auseinandersetzung zu glauben.

Bei aller Vorsicht vor spekulativen, von Wunschdenken geprägten Behauptungen kann jedoch festgehalten werden, dass die Wahrnehmung musikalischer Rhythmen die Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen, teilweise auch relativ weit voneinander entfernt liegenden Hirnarealen intensiviert – auch über den Balken hinweg (vgl. Abschnitt 7.3.3).

Die Verarbeitung musikalischer Rhythmen aktiviert das Gehirn in weiten Bereichen und unterstützt die Zusammenarbeit beider Hirnhälften.

8.7.  Rhythmusvermittlung in der Praxis: eine Auseinandersetzung mit ausgewählten Beispielen

Rhythmuslernen ist Bestandteil jeglichen Musiklernens, beispielsweise widmet jede Instrumentalschule diesem Lerngegenstand einen Teil ihrer Aufmerksamkeit.


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