Rhythmus bleibt – neben anderen Charakteristiken wie Geschwindigkeit, Kraft oder
Koordination – ein bestimmender Faktor. Gleichzeitig ist zu berücksichtigen, dass
die Steuerung von Bewegung nicht für alle Körperregionen und nicht in jeder
Körperhaltung gleich gut und gleich früh gelingt (besonders früh entwickelt und
besonders leistungsfähig ist der Kopfbereich, speziell die Artikulation, dazu mehr in
Abschnitt 5.1.3). Der Rhythmus in der Musikausübung ist aber nichts anderes als
zeitliche Bewegungsgestaltung. Egal ob in der Handhabung eines Instrumentes, in der
vokalen Betätigung, im Tanz oder der Körperperkussion sind motorische Fertigkeiten
Bedingung für das Gelingen von Aktionen. Das fundierte Wissen um diese Tatsache ist
von großer Wichtigkeit. Viele Versuchsanordnungen, die die rhythmischen Fertigkeiten
gerade von Kindern überprüfen sollten, waren nichts anderes als Tests der motorischen
Leistung (vgl. Abschnitt 6.3.1).
4.4.2. StereotypienEsther Thelen (1981) prägte für die regelmäßig wiederholten Bewegungen von Kopf, Torso oder Extremitäten den Begriff der motorischen Stereotypien. Sie untersuchte dieses Phänomen an einer Gruppe von 20 Säuglingen hinsichtlich des Erscheinungsbildes und der Funktion. Die Häufigkeit dieser Bewegungen und deren offensichtlich positives Erleben wurden oben schon beschrieben (vgl. Abschnitt 4.4.1). Auch Paul Fraisse beschreibt das Phänomen spontaner rhythmischer Bewegung im frühen Kindesalter mit seiner geringen motorischen Kontrolle und gleichzeitig hohen emotionalen Aufladung (Fraisse 1982, S. 152f.). Thelens eingehende Auswertung der beobachteten Bewegungen ergab ein alterstypisches Bild: der Beginn einer Stereotypie weist einen signifikanten Zusammenhang mit der gesamten motorischen Entwicklung eines Kindes auf. Die stereotypen Bewegungen dienen offensichtlich der Vorbereitung und der Übung einer dann bald darauf einsetzenden Fertigkeit. Tretbewegungen weisen beispielsweise eine Häufung auf, kurz bevor Lokomotion einsetzt, Schaukeln auf Händen und Knien bereitet das Krabbeln vor. »The picture that emerges is that rhythmical stereotypies are transition behavior between uncoordinated activity and complex, coordinated voluntary motor control.« (Thelen 1981, S. 239).
Thelen stellt die Frage, in welchem Kontext Stereotypien ausgelöst werden. Auch hier ergibt sich ein alterstypisches, entwicklungsbestimmtes Bild: Bei den drei bis fünf Monate alten Kindern sind beispielsweise die Interaktionen mit der Bezugsperson stark stimulierend für rhythmische Stereotypien, objektbezogene Stereotypien bestimmen das letzte Drittel des ersten Jahres. Ein anderer Aspekt der Untersuchung war die Frage nach der Funktion rhythmischer Stereotypien. Hier zeigte sich, dass Säuglinge, die viel vestibuläre Stimulation bekamen, d. h. viel geschaukelt, gewiegt und getragen wurden, insgesamt weniger stereotypes Verhalten zeigten. Kinder, die viele Stereotypien aufwiesen, wurden dagegen weniger gehalten, es wurde weniger zu ihnen gesprochen, häufig wurden diese Kinder auch durch Aufenthalte im Kinderstuhl oder Laufgitter in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Diese Beobachtung führt zu der Annahme, dass das |