- 8 -Lehmann, Silke: Bewegung und Sprache als Wege zum musikalischen Rhythmus 
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Tageszeit wie Lebenszeit, hauszuhalten, Zeitverschwendung zu vermeiden und über die Zeitverwendung ständig Rechenschaft abzulegen« (Dohrn-van Rossum 1992, S. 233).

Anders legt Arthur E. Imhof (1995) den Einfluss des christlichen Weltbildes aus. Er fasst die christliche Idee des ewigen Lebens als ein ›großzügiges‹ Konstrukt auf, das mit dem Gefühl einhergeht, Zeit sei reichlich vorhanden. Für die moderne Gesellschaft stellt Imhof die Tatsache stetig steigender Lebenserwartung dem Verlust religiös motivierter Zeitperspektive gegenüber, indem er formuliert: »So haben wir einerseits im Durchschnitt zwar zwei- und dreimal so viele Jahre auf Erden wie unsere gläubigen Vorfahren. Gleichzeitig verloren wir indes den Glauben an Auferstehung und ein ewiges Leben. Das gesamte Leben ist somit nicht länger, sondern unendlich kürzer geworden.« (ebd. S. 126).

Innere Einstellungen bestimmen das Zeitempfinden.

Zeitverständnis unter dem Einfluss technischer Möglichkeiten

Wie oben schon erwähnt, war die Sanduhr ein verbreitetes Hilfsmittel im Umfeld von Gelehrten. Mit der neuen, ständig weiter verbesserten Mechanik der Räderuhr ließen sich immer kleinere Uhren herstellen, neben der Turmuhr fanden Tischuhren Verbreitung, Miniaturisierung wurde zum modischen Trend. Im Zeitalter des Barock waren Uhren ein so selbstverständlicher Bestandteil des Lebens geworden, dass sie Eingang fanden in philosophische Betrachtungsweisen. René Descartes, Gottfried Wilhelm Leibniz und andere verglichen die Vorgänge in der Natur oder im Menschen, aber auch den Lauf der ganzen Welt, mit dem Gang von Uhrwerken (Gaitzsch u. a. 1982, S. 61ff.). Besonders in den Städten machten die ersten stundenschlagenden Uhren das Verstreichen von Zeit auch öffentlich bewusst. Die städtische Zeitordnung geriet zunehmend unter den Einfluss der modernen Stundenrechnung. Die Länge des Arbeitstages einzelner Stände oder auch die Verkaufszeiten der Märkte wurden nun vorgeschrieben, Zeit wurde ein gewichtiger ökonomischer Faktor. Im Bereich von Produktion und Verkauf wurden Uhren Hilfsmittel zur Präzisierung, Koordination und Kontrolle. Die Entwicklung von der Naturalwirtschaft zur Geldwirtschaft und späteren Industrialisierung war nur möglich durch die Synchronisation von Handlungen. »Nur wenn die einzelnen Tätigkeiten aufeinander abgestimmt wurden, konnten sie als Elemente einer Kette funktionieren, welche Räume und Zeiten immer effektiver verspannte.« (Gendolla 1992, S. 47). Im 19. Jahrhundert verbreiteten sich minutenzeigende Uhren, das Zeitalter der Eisenbahn, »das zugleich ein Zeitalter des privaten Uhrenbesitzes war« (Dohrn-van Rossum 1992, S. 260) machte minutiöses Verhalten schließlich alltäglich.

Die Möglichkeiten der physikalischen Zeitmessung beeinflussen innere Einstellungen zum Phänomen Zeit.

Festzuhalten bleibt, dass Zeit je nach Kontext unterschiedlich erlebt wird. Das naturnahe Leben in Agrargesellschaften lässt Zeit als etwas unendlich Wiederholbares erscheinen, das Möglichkeit zur Orientierung bietet, jedoch nicht einengt. Je weiter sich der Mensch vom Leben im Einklang mit der Natur entfernt, desto mehr verliert die Zeit an Elastizität. Dabei spielen zwei Gesichtspunkte eine Rolle:


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