1. Themenbereich: Das neue Kinderlied als Mittel zur Wehrerziehung im Vorschul-
und Grundschulalter
Beispiel 1
1. Wenn ich groß bin, gehe ich zur Volksarmee,
ich fahre einen Panzer, ra-ta-ta, ra-ta-ta […]
5. Ich lade die Kanone, rumbumbum […]
(Text und Melodie: Günther Preißler)
Beispiel 2
1. Mein Bruder ist Soldat im großen Panzerwagen,
und stolz darf ich es sagen: Mein Bruder schützt den Staat.
3. Und greift uns jemand an, so hat er nichts zu lachen.
Die Volkssoldaten wachen und stehen ihren Mann
(Text und Melodie: Manfred Hinrich)
Spätestens mit der Einführung des Wehrkundeunterrichts in den neunten und zehnten
Klassen 1978 wurde deutlich, dass die Parteiführung der SED den Gedanken der
Militarisierung auch in den Schulen nunmehr fest zu verankern versuchte. 1956 war die
bereits armeemäßig aufgebaute Kasernierte Volkspolizei in Nationale Volksarmee
umbenannt und seitdem systematisch erweitert worden. Sie besaß ein hohes Ansehen
und war ein Mittel der Machtdemonstration des Staates, auch nach innen gerichtet.
Alljährlich wurde sie einmal in einer pompösen Militärparade öffentlich vorgeführt, was
auch als Drohgebärde zu verstehen war. Man muss sie durchaus als eine Position im
psychologischen Kalkül der Staatsmacht ansehen, die mit ihren Apparaten, insbesondere
dem Ministerium für Staatssicherheit und seinem ausgedehnten Spitzelsystem, den
Betriebskampfgruppen oder den Parteigruppen am Arbeitsplatz ein probates
Mittel einsetzte, das alle Diktaturen kennzeichnet: die Angst, auch wenn die
Bürger ihr durch »vorlaufenden Gehorsam« zu begegnen und sie zu mildern
versuchten.
Dies zu verschleiern, indem man »Identifikation mit der Sache« zu schaffen versuchte,
war daher ein besonderes Anliegen der Staatsmacht. Größte Erfolge versprach
man sich hierbei im Erziehungssystem, die hohen Beeinflussungschancen bei
Kindern und Jugendlichen skrupellos kalkulierend. Das Kinderlied mit seiner
besonderen emotionalen Eindringlichkeit bot sich hierbei als probates Mittel an.
Entsprechende Schallplatten-Produktionen für den Vorschul- und Grundschulbereich
folgten diesem Kalkül, indem sie das wirkliche militärische Geschehen durch den
Einsatz bestimmter Stilmittel verharmlosten. Entsprechende Texte werden
von einer sanften Mädchenstimme, nicht etwa, wie man vermuten könnte, von
einer kräftigen Jungenstimme vorgetragen. Die militärischen Attribute werden
durch eine (gestopfte) Trompete und Trommel sehr zurückhaltend vermittelt, so
dass sie eher unbewusst wahrgenommen werden, aber in jedem Fall assoziativ
und eindringlich wirksam sind. Das instrumentale Begleitensemble ist sparsam
besetzt.