- 114 -Lehmann, Silke: Bewegung und Sprache als Wege zum musikalischen Rhythmus 
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6.3.  Entwicklungspsychologische Aspekte

Zeit hat in den verschiedenen Altersstufen des Menschen unterschiedliche Bedeutungen. Während für Kinder – gerade im Warten auf bedeutsame Ereignisse – die Zeit kaum zu vergehen scheint, haben Erwachsene das Gefühl, je älter sie werden, umso schneller fliege die Zeit dahin. Dass Zeit bzw. Rhythmus als wichtiger Faktor in physiologischen Prozessen eine Rolle spielt, war in Kapitel 4 ›Die körperliche Dimension von Rhythmus‹ dargestellt worden. Die Körperrhythmen bzw. ihre Verhältnisse zueinander entwickeln sich zunächst langsam. Als nur ein Beispiel sei daran erinnert, dass der Tag/Nacht-Rhythmus zu Lebensbeginn durchaus noch nicht feststeht, sondern sich erst allmählich etabliert. Neben der nur allmählich verlaufenden Entwicklung von rhythmischen Abläufen ist das Wesen von Kindern besonders auch durch schnellere Abläufe gekennzeichnet. Sowohl der Atem und Herzschlag als auch viele Bewegungen folgen einem schnelleren Tempo als für Erwachsene typisch. Selbst die Wundheilung verläuft zügiger: »Wenn man jung ist, sind die biologischen Veränderungen in einer Zeiteinheit zahlreicher als im Alter, d. h. die vom Organismus erbrachte Leistung ist größer.« (Fraisse 1985).

Neben dem Körper spielt aber auch die Kognition eine Rolle im Verständnis von Zeit. Fraisse weist darauf hin, dass die aktive Erinnerung von Zweijährigen ungefähr einen Monat zurück reicht, mit drei Jahren umfasst das Gedächtnis ungefähr den Zeitraum eines Jahres und Fünfjährige können ca. zwei Jahre zurückdenken (ebd., S. 178). Selbst wenn solche schematischen Angaben nicht für jeden Einzelfall zutreffen, ist der Trend deutlich: mit steigendem Lebensalter nimmt das aktive Erinnerungsvermögen von Kindern zu. Im fortgeschrittenen Lebensalter wiederum ist mit einer Abnahme mancher Gedächtnisfunktionen zu rechnen (vgl. Bednarczyk 2000, S. 26). Und schon in Abschnitt 6.1 war dargestellt worden, dass Zeit als gedankliche Konstruktion auf Gedächtnisinhalte zurückgreifen muss. Wenn sich nun im Kindesalter das Erinnerungsvermögen erst allmählich entwickelt, kann auch das Phänomen Zeit – als innerlich entworfene, von der Erinnerung beeinflusste Realität – erst nach und nach bewusst konstruiert werden bzw. kann die Fähigkeit zu dieser Konstruktion durch Beeinträchtigung der Gedächtnisfähigkeit auch wieder verloren gehen.


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