- 93 -Lehmann, Silke: Bewegung und Sprache als Wege zum musikalischen Rhythmus 
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6.  Zur Psychologie der Zeitwahrnehmung

Rhythmus ist ein essentieller Bestandteil von Musik. Folgerichtig beansprucht die Arbeit an Rhythmen einen festen Platz in der musikpädagogischen Arbeit. Nicht immer gestaltet sich diese Arbeit jedoch einfach und reibungslos. Im Gegensatz zum Benennen von falschen Tonhöhen sind zeitliche Dauern schwieriger rückzumelden. Korrekturversuche wie ›etwas zu kurz‹ oder ›etwas zu lang‹ illustrieren eine gewisse Hilflosigkeit auf Seiten der Unterrichtenden. Um diese Hilflosigkeit in fundierte musikpädagogische Konzepte umzuwandeln, soll das vorliegende Kapitel dazu beitragen, das Wesen von Zeitverarbeitung grundlegend zu verstehen. Wie sich zeigen wird, müssen dabei vielfältige Aspekte bedacht werden, die noch dazu miteinander in Wechselwirkung stehen.

Die Frage, wie die Sinne des Menschen Zeit überhaupt verarbeiten, ist in der Psychologie schon seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert thematisiert worden. In dieser Zeit begannen eine Reihe von Wissenschaftlern mit akustischen Stimuli zu experimentieren (vgl. Spitznagel 2000). Eine der ersten Erkenntnisse war die Tatsache, dass eine Reihe identischer Klangereignisse in der Wahrnehmung als gegliedert erscheinen:


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(Abbildung nach Spitznagel 2000, S. 20)


Im Laufe der Zeit haben sich die Methoden der experimentellen Psychologie so verfeinert, dass Aussagen über die Verarbeitung von minimalen Zeitdauern im Millisekundenbereich möglich werden. Inwieweit die so gewonnen Erkenntnisse über Verarbeitungsprozesse auf die Musikausübung anzuwenden sind, muss allerdings sorgsam abgewogen werden. Zwar geschehen auch im Musizieren blitzschnelle Aktionen und Reaktionen, findet ein Umgang mit minimalen Dauern statt. Andererseits sind die Reize in der Musikausübung in der Regel komplex und von den kargen, isolierten Clicks der Laborsituationen weit entfernt.

Ein weiterer Aspekt der psychischen Realität von Zeit und Rhythmus betrifft die Zusammenhänge mit dem Lebensalter: für Kinder hat Zeit eine andere Bedeutung als für Erwachsene. Denn während Erwachsene ihr subjektives Erleben im System von Uhrzeit und Datum verankert wissen, lernen Kinder erst allmählich den Rhythmus des Tages, den Lauf von Wochentagen oder Jahreszeiten. Dass es eine objektive, verbindlich messbare Zeit gibt, ist erst ab einer bestimmten Entwicklungsreife


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