koordinierter
motorischer Abläufe« (ebd., S. 36). Er weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass
unter DAF besonders die Vokale nicht nur gedehnt, sondern auch besonders
akzentuiert bzw. intensiviert werden. Die daraus resultierende Umorganisation
der Sprechsteuerung bewirkt die Symptomreduzierung des Stotterns. Diese
Erkenntnis steht im Einklang mit der Beobachtung, dass Singen, Flüstern oder
verlangsamtes Sprechen ebenfalls die Flüssigkeit von Äußerungen erhöht, weil
hier wohl ebenfalls nicht auf die gewohnten Steuerungsmuster des normalen
Sprechens zurückgegriffen werden kann. In einem Vorgriff auf die Inhalte von
Kapitel 7 stellt sich hier die Frage, ob die Neuorganisation der Steuerungsmuster
auch eine veränderte Nutzung der Hirnhälften mit sich bringen könnte. Es gibt
Hinweise darauf, dass die im veränderten Sprechfluss so wichtigen Vokale in der
rechten Hemisphäre verarbeitet werden, nicht linkshemisphärisch wie der größere
Anteil der Sprachverarbeitung (vgl. Bruhn 1989, S. 97, daraus die Tabelle in
Abschnitt 7.3.2).
Kalveram (2000, 1997) geht in seinem kybernetischen Modell der Sprechsteuerung davon aus, dass betonte und unbetonte Vokale von unterschiedlichen motorischen Algorithmen gelenkt werden. Auch er nimmt an, dass Stottern von einer audio-motorischen Störung verursacht wird. Das Feedback in der Sprachproduktion findet nach seinen Erkenntnissen auf der Ebene von Silben durch den Vokal statt, auf der Ebene von Sätzen durch das Heben und Senken der Stimme, also mit Hilfe der prosodischen Merkmale. Deutliche prosodische Gestaltung des Sprechens verhilft somit zu einer klaren sensorischen Rückmeldung. Diese Rückmeldung unterstützt wiederum den Sprechfluss.
Die Tatsache, dass besonders im Kleinkindalter Sprechunflüssigkeiten auftreten, erklärt Kalveram damit, dass in dieser Zeitspanne die Sprachsteuerung umorganisiert wird. Kleinkinder betonen zunächst alle Sprechsilben. Erst mit zunehmendem Alter (und zunehmender Reifung) gelingt es Kindern zwischen betonten und unbetonten Silben zu variieren. Misslingt die Umschaltstrategie hin zu den neuen Betonungsmustern, verfestigen sich die Stottersymptome.
Keidel (1977) bezeichnet das Stottern als Störung in der Koordination von visuellen, akustischen und motorischen Funktionen. Er berichtet u. a. von Versuchen, bei denen Probanden zu einer auf dem Bildschirm erscheinenden Kurve ihren Daumenmuskel kontrahieren sollten, Rückmeldung über die gelungene motorische Anpassung erfolgte durch ein Tonsignal. Diese Aufgabe der kombinierten Wahrnehmungs- und Bewegungssteuerung sollte so erfüllt sein, dass die »akustisch hörbare Entladungsfrequenz des Elektromyogramms in Intensität, Amplitude und Phase dem vorgegebenen visuellen Muster entspricht« (ebd., S. 14). Bemerkenswert ist die Beobachtung, dass vereinzelte Versuchspersonen »stakkatierende motorische Korrekturinnervationen im Elektromyogramm« (ebd.) aufwiesen, quasi mit der Daumenmuskulatur stotterten. Die Ausführung der Koordinations-Aufgabe zum kombinierten Hören und Bewegen gelang umso besser, je langsamer die angebotene Frequenz war.
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